In Zeiten von „America First“ und einem Countdown zum Brexit überhäufen sich die Anti-Migrationspolitik Berichterstattungen. Obwohl jedem klar sein sollte, dass die eigene heutige Lebenswelt nur so ist, weil sich Kulturen und Menschen über Jahrhunderte ausgetauscht und gegenseitig ergänzt haben, gibt es aktuell eine Welle an Hass und Rechtsextremismus in jeder Ecke zu spüren. Um zu zeigen, wie die musikalischen Strömungen durch Migration die britische Musikkultur positiv beeinflusst haben und daran zu erinnern, dass wir alle von solchen Einflüssen profitieren, entwickelte das Boiler Room TV Team passend zu SYSTEM eine vierteilige Filmreihe über karibische Migration in den 50er Jahren in Großbritannien.
Die jeweils ca. zehn minütigen Kurzfilme lassen die Zuschauer tiefer in die Welt von der sogenannten britischen „Windrush Generation“ blicken und zeigen, wie sich der Rassismus besonders in Großbritannien bis heute verändert und verbreitet hat. Der Name der Generation bezieht sich dabei auf das Schiff „MV Empire Windrush“, welches 1948 ca. 492 Passagiere, viele davon Kinder, von karibischen Inseln nach Großbritannien brachte. Ziel der Regierung war es, besonders in der Nachkriegszeit die Gesellschaft durch Einwanderung zu unterstützen. Anfang der 70er Jahre stoppte Großbritannien dann mit dem Immigration Act die Möglichkeit, ohne vorhandenen Arbeitsvertrag und Verwandtschaft in der UK, einzuwandern. Aktuell wurden Medien wieder auf die Generation Windrush durch die Verschärfung der Einwanderungsgesetze in Großbritannien aufmerksam: Durch fehlende Aufenthaltserlaubnisse geraten nun Mitglieder der Generation unter einen enormen Druck. Eine Welle von Angst vor Abschiebung sowie ein verstärkte gewaltsamer Rassismus verbreitet sich.
Aufgrund der aus vielerlei Sicht unfairen und unmenschlichen Behandlung der Migranten 70 Jahre nach ihrer ersten Ankunft widmete sich also nun das weltbekannte Musiknetzwerk Boiler Room. Das Projekt, dass einst im Keller mit einfacher Web-Cam-Übertragung seine Anfänge fand und kreativen Künstlern im kleinen Rahmen eine Platform geben wollte, ist längst global zur Instanz der (elektronischen) Musik geworden. Während die erste Episode von Migrant Sound den Zuschauer direkt mit der Gegenüberstellung von Ankunft und versuchter Abschiebung konfrontiert, konzentrieren sich die darauf folgenden Episoden auf Rassismus-Erfahrungsberichte der Windrush Generation, den schwierigen Weg zur Identitätsfindung in Großbritannien mit karibischen Wurzeln und den besonderen Sound, der sich aus diesem multinationalen Umfeld der Einzelnen entwickelt hat und weiter Einfluss nehmen wird.
So stellt eine Episode den talentierten Rapper und Produzenten Yung Saber vor, der sich neben seiner Karriere für die kreative Entfaltung jüngerer Generationen aus sozial schwachen Umfeldern einsetzt. Diese hat aus seiner Sicht viel zu wenig Möglichkeiten, sich anders als durch Gewalt oder Wut auszudrücken. Er ist dankbar dafür, dass die Musik ihn im bereits jungen Alter gezeigt hat, dass all seine negative Erfahrungen in etwas Positives gewandelt werden können.
„Music was like my way of expressing myself and actually coming away from that lifestyle“
Daraus entwickelt hat sich ein entspannter Rap Sound, eine Mischung aus Skepta und ruhigen Gitarrenklängen, der sich inhaltlich besonders um eigene Erfahrungen des Rappers und seiner Community dreht. Songs wie „Soul Kitchen“ lassen trotz der inhaltlich kritischer Auseinandersetzung mit Armut in seiner Gemeinde durch kreativ kombinierten, karibischen Stilelementen die Seele schnell baumeln. Es vergehen nur wenige Sekunden und der Zuhörer spürt Yung Sabers kulturelle Herkunft und Gegenwart.
Mit Migrant Sound zeigt Boiler Room, dass Vielfalt, Gemeinschaft und Multikulturalität immer Positives hervorbringen wird. Durch verschiedenste kulturelle Einflüsse und Vermischungen von Genre entstehen kreative Musikentwicklungsprozesse, die uns mit innovativen Sounds und Tracks bereichern – und längst Einfluss auf unsere eigene Wahrnehmung genommen haben. Die Mini-Series zeigen authentische Eindrücke von Menschen mit multinationalen Wurzeln in Großbritannien, die ihre kreative Kraft aus ihrer Vergangenheit ziehen und gleichzeitig täglich mit Problemen verursacht durch Rassismus weiterkämpfen müssen.