Auf seinem zweiten Longplayer ‘Next To Nothing’ hangelt sich Hector Plimmer durch ein Potpourri verschiedenster Stilrichtungen, hörbar sind Einflüsse aus Jazz, R’n’B, Soul, Dub, Breakbeat und UK Bass. Dabei ist glücklicherweise keine einzige Spur eines Albums zu entdecken, das den Anspruch pflegt, in sich stimmig zu klingen – Hector Plimmer ist erwachsen geworden: Die neuen 13 Songs stehen alle auf eigenen Beinen und stützen sich dennoch gegenseitig beim Schnürsenkel schnüren. Ein perfekter Soundtrack für nächtliche Spaziergänge durch Londons Süden.
VÖ: 25.10.19 via Albert’s Favourites
Bereits mit den ersten Klängen auf ‘Next To Nothing’ macht Hector Plimmer klar: Lokalitäten definieren die Karriere eines Künstlers wohl wie kaum etwas anderes. So ist der Title- und Opener-Track ‘Next To Nothing’ eine Vorstellung Plimmers heimischen Umfeldes: Das hypnotisierende Summen der Londoner RnB-Sängerin Ego Ella May führt ein in die Musikszene Südlondons, der auch Plimmers zweites Album entsprungen ist. Die sanft weckenden Töne des Blasinstruments im Hintergrund spielte Londoner Multiinstrumentalistin Emma-Jean Thackray ein – Hier ist übrigens zu betonen, dass die Jazz-Künstlerin diese Zuordnung wahrlich verdient hat: Thackray spielt um die zwei Dutzend Instrumente und brachte sich davon die meisten autodidaktisch bei. Und da der erste Track des Albums, der trotz seiner zwei Minuten und 50 Sekunden doch eher als Intro fungiert, so gut gelang, engagierte Plimmer May unter anderem auch für den zweiten Song ‘Sonnet 17’.
In Südlondon geboren, arbeitet und lebt der Musiker, Produzent, DJ und Designer Hector Plimmer in ihm bekannten und sich dennoch immer wandelnden Umfeld der britischen Hauptstadt. In einem Interview mit dem Online-Magazin Stamp The Wax erklärte Plimmer, der Cover und Rückseite seines Albums selbst entwarf, wie sein alltägliches Habitat aussieht: ‘My ’studio’ is actually just a room in my flat in Sydenham. It also serves as a studio for my graphics work and my girlfriend who works from home as a designer too.’
Kein Wunder also, dass ein bestimmter Gig, nicht etwa in der Ferne der restlichen Welt, sondern in der LSO St. Luke’s Church im Herzen der Stadt an der Themse eines seiner Highlights werden sollte: Vor ungefähr einem Jahr spielte er dort ein Live-Set mit Emma-Jean Thackray und dem London Symphony Orchestra, dem er, wie in einem Interview mit CDR Projects verraten, einen Großteil seiner musikalischen als auch persönlichen Weiterentwicklung verdanke.
Dieser Fortschritt Plimmers ist unter anderem in ‘Still Here’ zu spüren – ein ruhiger Ambient-Track mit leicht hektischem Dub-, Breakbeat- und Trance-Unterton, der sich perfekt für sommerliche Festival-Live-Auftritte eignet. In ein ähnliches Raster fällt das fast siebenminütige Lied ‘Step’, welches vor allem hörbare UK-Bass- und House-Einflüsse in den Vordergrund stellt und somit körperlich wie auch geistig intuitiv zum Tanzen animiert. Es handelt sich hierbei um keinen Zufall, wie Plimmer im Interview mit Hyponik verrät: ‘I wanted to make something that could potentially work on a dance floor or two, but I also wanted to draw out the build up and let it soak for a while. This one is definitely one of my favourites to play live, the first time I played it filled me with joy. People were dancing like crazy!’
Bevor allerdings zu der B-Seite getanzt werden kann, erklingen die vier Tracks ‘Somebody Else’ (ft. Andrew Ashong), ‘Tapeloop’, ‘Stack’ (ft. Pie Eye Collective) und Before The Sun (ft. Ego Ella May) aus den Boxen. Der Pop-Song mit Breakbeat-Vorliebe ‘Somebody Else’, begleitet von Andrew Ashongs klagenden Gesang, war bereits am 25. September dieses Jahres “Track des Tages” beim Hamburger Online-Radio ByteFM. ‘Tapeloop’ stellt dabei die ruhigste Phase des Albums dar und macht seinem Namen als scheinbar gewolltes und definitiv gekonntes Zwischenstück alle Ehre. Für ‘Before The Sun’ holte Plimmer noch einmal die aus den ersten beiden Songs bekannte Ego Ella May ins Boot. Der Track vor Mays Wiederauftauchen namens ‘Stack’ ist einer der stärksten, wahrscheinlich da Matt vom Pie Eye Collective mit einem hörbaren Rhythmus-Fanatismus seine Finger im Spiel hatte:
Für die B-Seite von ‘Next To Nothing’ vertraute Plimmer auf alte Bekannte der vorigen Hälfte: Sein enger Freund Andrew Ashong taucht im smoothen Lied ‘Wall Street’ mit catchy Hook erneut auf, und direkt danach bringt das ebenfalls aus London stammende Pie Eye Collective mit einer nervös-zappelnden Melodie im (ironisch) ungefähr dreiminütigen ‘2 Minute Switch’ den Teppich unter unseren Füßen zum Knistern.
Wer meint, dieser Zusammenarbeitswahn käme von Langeweile und sozialer Isolation, der irrt sich, denn erst im Mai dieses Jahres veröffentlichten Hector Plimmer und Alexa Harley als “Equal Echo” ihre erste gemeinsame EP ‘Dynamite’. Es war demnach naheliegend, auch auf seinem neuen Solo-Album Alexa Harley eine Plattform zu geben: Unterlegt mit groovy Hip-Hop-Beats, lädt die R’n’B-Stimme eben dieser Londoner Musikerkollegin im zweiten Song der B-Seite ‘Joyfulness’ zum Träumen ein.
Übrigens spielte Plimmer eine Woche vor der Veröffentlichung von ‘Dynamite’ ein DJ-Set im weltberühmten Boilerroom in London.
Der finale Track auf seinem zweiten Studioalbum stellt dabei eine Überraschung dar: In ‘Communication Control’ hat man das Gefühl, bei dessen Entstehung live dabei zu sein und die Tastentöne seiner Arbeit mit Ableton neben sich zu vernehmen – Schichtweise layered sich eine groovigere Ebene nach der anderen.
Arbeitete Plimmer auf seinem Debütalbum ‘Sunshine’ von 2017 insgesamt nur mit drei Künstlern zusammen, so finden sich auf ‘Next To Nothing’ immerhin acht von dreizehn Lieder wieder, auf denen ein Featuring oder sogar mehrere zu verzeichnen sind. Es ist also Fakt: Hector Plimmer ist ein viel beschäftigter und umtriebiger Mann, der sich in seinem sozialen Umfeld in London am wohlsten fühlt und keinen Hehl daraus macht, dass Inspiration, egal welcher Kunst gewidmet, immer mit einer Interaktion zwischen Umgebung und Mensch einhergeht.

Stream: ‘Next To Nothing’ hier auf Spotify.