Nach ihrem bejubelten Debüt ‘Musique de France’ von 2016 stellt das zweite Album ‘Jdid’ von Acid Arab die Weichen für endlos tanzbare und in Ekstase getränkte Nächte. Etablierte Genres der westlichen Postmoderne wie Acid House und Techno werden den vielschichtigen traditionellen Sounds des Nahen Osten vorgestellt und fusionieren zu einer tiefen Freundschaft, deren musikalisches Manifest sich im Gewand eines einzigen Melting-Pots zeigt: elf Tracks über die Utopie der multikulturellen Zukunft und Vergangenheit – nicht nur Frankreichs, sondern ganz Europas.
VÖ: 18.10.19 via Crammed Discs
Sinnliche, arabische Gesänge, tiefe Bässe und melodische Beats: Die zweite LP des französischen Duo-Gone-Trio schafft Platz für Neues. Seit mehr als zwei Jahrzehnten sind die beiden Hauptakteure von Acid Arab, Guido Minisky und Hervé Carvalho, bereits tief im Pariser Nachtleben verankert. Aus der Partyreihe “Acid Arab” wurde 2012 das gleichnamige Musikerprojekt. All das wäre aber sicher nicht möglich gewesen, wenn da nicht ein ganz bestimmter Gig gewesen wäre: Die beiden DJs hatten zuvor auf einem Festival in Tunesien gespielt – und wo sonst hätte sich ihr Gehör besser in die Klänge abseits des heimischen, eurozentristischen Komforts verlieben können? Bei Acid Arab verschwimmen musikalische Grenzen – was nicht überrascht, schaut man sich die Biografien genauer an.
Während Carvalho auf eine portugiesische Herkunft zurückblicken kann, sind die Äste des Stammbaumes seines Musikerkollegen etwas stärker ineinander verworren: Miniskys Vorfahren verließen zu erst die heimische Ukraine, um nach Argentinien auszuwandern und sich danach schlussendlich in Frankreich niederzulassen. Das dritte und neue Glied in der musikalischen Kette fanden die beiden DJs dann in dem Pianisten Kenzi Bourras, welchen Fans bereits von Acid Arabs Live-Shows kennen. Das neue Bandmitglied Bourras vertiefte noch einmal Carvalhos und Miniskys Liebe für arabische Klänge, denn seine algerischen Wurzeln waren essentiell für das neue Album ‘Jdid’, was aus dem Arabischen als ‘neu’ übersetzt wird.
Die Liebe für nordafrikanische und nahöstliche Klänge brachten Acid Arab allerdings nicht nur melodisch, sondern wie auch auf Jdids Vorgänger gesanglich unter. So gibt es Featurings mit den algerischen Sänger*innen Radia Manel, Sofiane Saidi, Amel Wahby und Cheikha Hadjla, aber auch mit dem türkischen Musiker Cem Yildiz und dem syrischen Keyboarder Rizan Said, dessen Mitarbeit bereits auf dem Debütalbum ‘Musique de France’ zu hören war. Außerdem wurde der Song ‘Rajel’ durch die Zusammenarbeit mit dem tunesisch-belgischen Produzenten Ammar 808 komplettiert, und mit Les Filles d’Illighadad aus dem Niger entstand das Lied ‘Soulan’. Acid Arab lassen die Welt etwas näher zusammenrücken. Oder ist das nur der Hype um das exotisierte Fremde?
Gegen die Kritik der kulturellen Aneignung brachten Acid Arab schon öfters Statements, die betonen: Bei Acid Arab ginge es um das Verschmelzen der Grenzen, um ein interkulturelles Schaffen und vor allem um das Aufzeigen der Gegenwart in einer modernen, kulturell verwobenen Welt. Dies formulierte die Band 2016 im Groove Magazin folgendermaßen:
„Das Risiko, das wir sehen, ist der Hype, den es derzeit um arabische Musik gibt. Oft werden arabische Sounds nur als lustiges Gimmick benutzt. Wir möchten eben nicht musikalische Kolonialisten sein.“

Zu detailverliebt klingt das neue Album von Acid Arab, als dass man behaupten könne, die traditionellen Elemente und die arabischen Gesänge seien nur ein “Gimmick”. Acid Arab widmen sich Sounds und Kulturen, die sie bewundern, schätzen und schaffen etwas mit Künstlern, die diesen oft unterrepräsentierten Sichtweisen und Klängen ihre Stimme leihen und somit eine Plattform für neue Gehöre bieten. Gehöre, die – ähnlich wie Carvalhos und Miniskys in Tunesien – sich in für sie Neues verlieben und dadurch Innovatives schaffen werden.
Acid Arab 2020 – live
07/02/2020 @ 806qm, Darmstadt
08/02/2020 @ Knust, Hamburg
28/02/2020 @ Grelle Forelle, Wien
Mehr Infos zur Tour: http://emerged-agency.com/tour-dates